ANALYSE
AI Act: Deutschlands Zerreißprobe
Zwischen Fristchaos und Industrierevolte
Die Umsetzung des AI Acts in Deutschland gerät ins Stocken. Eine verpasste Frist schafft Rechtsunsicherheit, während Top-Konzerne die Notbremse ziehen wollen. Ein Überblick über den eskalierenden Konflikt.

1. Politisches Vakuum: Deutschland verpasst zentrale Frist
Der Stichtag war der 2. August 2025: Bis dahin hätte Deutschland eine nationale Marktüberwachungsbehörde für den AI Act benennen müssen. Doch das dafür nötige KI-Marktüberwachungsgesetz (KIMÜG) liegt auf Eis. Die geplante Behörde, die Bundesnetzagentur, kann ihre Arbeit nicht aufnehmen.
Folge: Massive Rechtsunsicherheit
Für Unternehmen fehlt nun ein zentraler Ansprechpartner für die Umsetzung des komplexen Gesetzes. Fragen zu Pflichten und drohenden Bußgeldern von bis zu 35 Millionen Euro bleiben unbeantwortet. Datenschützer wie Thomas Fuchs warnen vor einem klaren Nachteil für den Innovationsstandort.
2. Offener Aufstand: Siemens & SAP fordern den Stopp
Während die Politik zögert, formiert sich in der Wirtschaft massiver Widerstand. In einem offenen Brief an die EU-Kommission fordern Top-Manager wie Siemens-Chef Roland Busch und SAP-Chef Christian Klein eine Aussetzung oder gar eine komplette Neuverhandlung des AI Acts.
Das Hauptargument: Innovationsbremse
Die Konzerne fürchten, dass eine zu strenge Regulierung Europas Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettlauf, insbesondere mit den USA, massiv schwächt. Eine unternehmensfreundlichere Gesetzgebung, die Innovation nicht durch Bürokratie erstickt, sei dringend notwendig.
3. Experten warnen: "Kein guter Ansatz"
Der KI-Experte Philipp Hartmann von AppliedAI hält die reine Forderung nach Deregulierung für gefährlich. Er argumentiert, dass klare Regeln essenziell sind, um Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen.
"Wenn die Menschen sicher sein können, dass bestimmte Dinge wie Social Scoring verboten sind, reduziert das Skepsis und Angst", so Hartmann. Leitplanken seien gerade in kritischen Sektoren unerlässlich.
Eine Abschaffung des AI Acts, warnt er, würde zu einem Flickenteppich nationaler Vorschriften führen, der die Rechtslage für Unternehmen noch komplizierter machen würde. Sein Vorschlag: Eine Reform, die kleinere Unternehmen entlastet, anstatt eines kompletten Neustarts.
Lesen Sie auch
Wann gilt was? Die komplette Zeitachse zur KI-Verordnung
Alle Fristen, Termine und Übergangsregelungen der EU KI-Verordnung in einer interaktiven Zeitleiste.
Artikel lesenAI Act JETZT IN KRAFT: EU macht ernst mit strengeren KI-Regeln
Ein Leitfaden, um zu bestimmen, ob Ihr KI-System unter die strengen Auflagen für Hochrisiko-Anwendungen fällt.
Artikel lesen