RECHTSUNSICHERHEIT
Deutschland verpasst AI-Act-Frist:
Keine Aufsichtsbehörde benannt
Am 2. August 2025 lief die EU-Frist zur Benennung nationaler Aufsichtsbehörden für den AI Act ab. Deutschland hat diese Frist verpasst – bislang gibt es keinen offiziellen Ansprechpartner für Unternehmen. Das sorgt für erhebliche Rechtsunsicherheit.

1. Was passiert ist: Deutschlands Versäumnis im Detail
Die EU-KI-Verordnung (AI Act) schreibt vor, dass alle Mitgliedstaaten bis zum 2. August 2025 nationale Marktüberwachungsbehörden benennen müssen. Diese Behörden sind entscheidend, um die Einhaltung der neuen Regeln zu kontrollieren. Deutschland hat diese wichtige Frist nicht eingehalten. Das bestätigt sich aus mehreren Quellen:
Gesetzgebungsverfahren stockt
Ein nationales Durchführungsgesetz, das sogenannte KI-Marktüberwachungsgesetz (KIMÜG), befindet sich zwar in Arbeit, ist aber noch nicht verabschiedet. Der Prozess verzögerte sich unter anderem durch die vorgezogene Bundestagswahl im Februar 2025.
Scharfe Kritik von Experten
Datenschützer und Verbraucherschutzverbände kritisieren die Bundesregierung scharf für die Verzögerung. Sie warnen vor einer Kontrolllücke und fehlenden Ansprechpartnern für Unternehmen und Verbraucher.
2. Stimmen der Kritik: Behörden & Verbände schlagen Alarm
Thomas Fuchs, der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, bringt die Problematik auf den Punkt: „Durch die Verzögerung fehlt Unternehmen und Behörden nun ihr verbindlicher Ansprechpartner für Fragen zur KI-Verordnung. Dies ist auch ein Nachteil für den KI-Innovationsstandort Deutschland.“
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mahnt zur Eile. Lina Ehrig warnt vor den Risiken für Verbraucher, wenn es keine Aufsicht über die Einhaltung von Rechten gibt. Ein Beispiel sei der Missbrauch durch Echtzeitanalyse von Stimmen in Callcentern. Pia Sombetzki von AlgorithmWatch vergleicht die Situation mit „Verkehrsregeln, aber weder einem Bußgeldkatalog noch einer Verkehrspolizei“.
3. Was das für Unternehmen bedeutet: Diese Pflichten gelten trotzdem
Die fehlende Aufsichtsbehörde schafft ein Klima der Unsicherheit, entbindet Unternehmen aber nicht von ihren Pflichten. Folgende Anforderungen des AI Act müssen bereits jetzt umgesetzt werden:
Risikobewertung für KI-Systeme
Unternehmen müssen ihre eingesetzten KI-Systeme klassifizieren und bewerten, insbesondere Hochrisiko-Systeme.
Dokumentationspflichten
Technische Dokumentationen und Nachweise zur Konformität müssen vorbereitet und gepflegt werden.
Kompetenzpflicht nach Art. 4
Alle relevanten Mitarbeitenden müssen im Umgang mit KI-Systemen und deren Regulierung geschult werden.
Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder von bis zu 35 Millionen Euro oder 7 % des weltweiten Jahresumsatzes. Ohne festen Ansprechpartner müssen Unternehmen sich proaktiv vorbereiten, um bei einer späteren Überprüfung keine Lücken aufzuweisen.
4. Ihr Fahrplan zur Compliance: Handlungsempfehlungen
Um Rechtsrisiken zu minimieren, sollten Unternehmen jetzt handeln:
Interne Zuständigkeiten klären
Bestimmen Sie einen oder mehrere Verantwortliche für die KI-Compliance in Ihrem Unternehmen.
Risikoklassifizierung vornehmen
Analysieren und klassifizieren Sie alle KI-Systeme im Unternehmen nach den Kriterien des AI Act.
Mitarbeiter schulen
Erfüllen Sie die Kompetenzpflicht nach Art. 4 durch gezielte Schulungen, auch ohne nationale Vorgaben.
Dokumentation starten
Beginnen Sie umgehend mit der Dokumentation aller technischen, organisatorischen und rechtlichen Aspekte Ihrer KI-Systeme.
Fazit
Deutschland hinkt bei der Umsetzung des AI Act hinterher – das entbindet Unternehmen jedoch nicht von der Pflicht zur Compliance. Wer jetzt proaktiv handelt, reduziert Risiken und ist vorbereitet, sobald die nationalen Aufsichtsbehörden ihre Arbeit aufnehmen.
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