Artikel 4 EU AI Act: KI-Kompetenz wird zur Unternehmenspflicht
Seit dem 2. Februar 2025 sind alle Unternehmen, die KI-Systeme anbieten oder nutzen, durch Artikel 4 des EU AI Acts verpflichtet, für angemessene KI-Kompetenz ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Was das konkret bedeutet und wie Sie Compliance sicherstellen erfahren Sie hier.
Die wichtigsten Fakten im Überblick
- Geltung seit: 2. Februar 2025
- Durchsetzung ab: 2. August 2026
- Betroffen: Alle Anbieter, Betreiber und Nutzer von KI-Systemen
- Umfang: Mitarbeiter und externe Personen
- Flexibilität: Keine starren Vorgaben, risikobasierter Ansatz
Was verlangt Artikel 4 des EU AI Acts?
Artikel 4 verpflichtet Anbieter und Betreiber von KI-Systemen, Maßnahmen zu ergreifen, um ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz ihrer Mitarbeiter und anderer Personen sicherzustellen, die in ihrem Namen mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind.
Definition: KI-Kompetenz nach EU AI Act
"KI-Kompetenz sind Fähigkeiten, Kenntnisse und Verständnis, die es Anbietern, Betreibern und betroffenen Personen ermöglichen, KI-Systeme in Kenntnis der Sachlage einzusetzen und sich für die Chancen und Risiken von KI und den möglichen Schaden, den sie verursachen kann, zu sensibilisieren."
— Artikel 3 Absatz 56 EU AI Act. Weitere Informationen zur KI-Kompetenz bietet die Europäische Kommission KI-Kompetenz - Fragen & Antworten.
Wer ist von Artikel 4 betroffen?
Die Vorschrift gilt für alle Anbieter und Betreiber von KI-Systemen – unabhängig von der Unternehmensgröße. Das schließt auch kleine und mittlere Unternehmen ein, die beispielsweise ChatGPT für Texterstellung oder KI-Tools für andere Geschäftsprozesse nutzen.
Interne Mitarbeiter
- Entwickler und IT-Personal
- Produktmanager
- Marketing- und Vertriebsmitarbeiter
- HR-Abteilung
- Compliance-Verantwortliche
"Andere Personen"
- Auftragnehmer und Freelancer
- Dienstleister
- Partnerunternehmen
- Externe Berater
- Kunden (in bestimmten Fällen)
Wichtig: Auch Unternehmen, deren Mitarbeiter nur gelegentlich KI-Tools wie ChatGPT nutzen, müssen die Anforderungen erfüllen.
Beispiel: Ein Marketing-Team, das KI für Werbetexte nutzt, muss über spezifische Risiken wie Halluzinationen informiert werden.
Mindestanforderungen für KI-Kompetenz-Programme
Das AI Office gibt keine starren Vorgaben vor, aber zur Compliance mit Artikel 4 sollten Unternehmen mindestens folgende vier Bereiche abdecken:
A) Allgemeines KI-Verständnis schaffen
- Was ist KI und wie funktioniert sie?
- Welche KI-Systeme werden in der Organisation eingesetzt?
- Welche Chancen und Risiken bestehen?
B) Organisationsrolle definieren
- Sind wir Anbieter oder Betreiber von KI-Systemen?
- Entwickeln wir eigene KI oder nutzen wir fremde Systeme?
- Welche rechtlichen Verpflichtungen ergeben sich daraus?
C) Risikobewertung durchführen
- Welche Risikokategorie haben unsere KI-Systeme?
- Welche spezifischen Risiken müssen Mitarbeiter kennen?
- Wie können Risiken vermieden oder gemindert werden?
- Besondere Anforderungen bei Hochrisiko-Systemen
D) Zielgruppenspezifische Maßnahmen
- Unterschiedliche Wissensstände berücksichtigen
- Rollenspezifische Schulungsinhalte entwickeln
- Kontext und Zweck der KI-Nutzung einbeziehen
- Kontinuierliche Weiterbildung sicherstellen
Risikobasierter Ansatz: Mehr Risiko = Mehr Schulung
Je höher das Risiko der eingesetzten KI-Systeme, desto umfangreicher müssen die Kompetenz-Maßnahmen sein. Bei Hochrisiko-Systemen gelten zusätzliche Anforderungen nach Kapitel III des EU AI Acts.
Risikokategorie | Beispiele | Schulungsumfang |
---|---|---|
Minimales Risiko | Spam-Filter, Spiele | Grundlagen-Schulung |
Begrenztes Risiko | Chatbots, Deepfakes | Transparenz-Schulung |
Hohes Risiko | Kreditscoring, Personalauswahl | Umfassende Schulung + praktisches Training |
Unannehmbares Risiko | Social Scoring, Manipulation | ❌ Verboten |
Durchsetzung und Strafen
Seit Februar 2025 besteht die Pflicht für den Kompetenzerhalt. Konsequenzen werden ab dem 2. August 2026 verhängt. Ab da gelten alle Aufsichts- und Durchsetzungsvorschriften.
Mögliche Konsequenzen bei Nicht-Compliance
- Geldstrafen: Proportional zu Art und Schwere des Verstoßes
- Geschäftsunterbrechungen: Bei schwerwiegenden Verstößen
- Zivilrechtliche Haftung: Bei Schäden durch unzureichende Schulung
- Reputationsschäden: Negative Medienberichterstattung
Die Durchsetzung erfolgt verhältnismäßig und berücksichtigt Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Häufige Fragen und Sonderfälle
Brauchen KI-Experten auch Schulungen?
Grundsätzlich ja, aber der Umfang kann reduziert werden. Auch technische Experten müssen über rechtliche und ethische Aspekte sowie die spezifischen Risiken der in der Organisation eingesetzten KI-Systeme informiert werden.
Sind Zertifikate erforderlich?
Nein, formelle Zertifikate sind nicht vorgeschrieben. Interne Aufzeichnungen über Schulungen und andere Kompetenz-Initiativen sind ausreichend.
Gilt Artikel 4 auch für Unternehmen außerhalb der EU?
Ja, wenn das KI-System auf dem EU-Markt angeboten wird, in der EU verwendet wird oder Auswirkungen auf Menschen in der EU hat.
Was ist mit Human-in-the-Loop-Systemen?
Sowohl die KI-Nutzer als auch die Personen in der Überwachungsschleife benötigen entsprechende Schulungen, die auf das verwendete System ausgerichtet sind.
Werden Sie Article 4 compliant!
Die AI Act Akademie bietet maßgeschneiderte Schulungsprogramme für Artikel 4 Compliance. Von der Ist-Analyse bis zur vollständigen Implementierung – wir begleiten Sie auf dem Weg zur rechtskonformen KI-Nutzung.
Fazit: Proaktives Handeln ist entscheidend
Die Anforderungen von Artikel 4 des EU AI Acts zur KI-Kompetenz sind mehr als eine formale Pflicht. Sie sind eine Chance, das Verständnis und den verantwortungsvollen Umgang mit KI im gesamten Unternehmen zu fördern. Ein proaktiver Ansatz sichert nicht nur die Compliance, sondern stärkt auch das Vertrauen in die eingesetzten Technologien und minimiert Risiken. Warten Sie nicht bis zur Durchsetzungsfrist – beginnen Sie jetzt mit der Planung und Umsetzung Ihrer KI-Kompetenzstrategie.