Freiwillig, aber folgenreich
Neuer EU-Verhaltenskodex für KI:
Segen oder Bürokratiemonster?
Die EU-Kommission verspricht mit einem neuen Verhaltenskodex für Allzweck-KI mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie bei der Umsetzung des AI Acts. Doch während Brüssel von einem Meilenstein spricht, warnt die deutsche Digitalwirtschaft vor neuen Hürden und Rechtsunsicherheiten.

1. Was ist der "Code of Practice"?
Am 10. Juli 2025 hat die Europäische Kommission den finalen Verhaltenskodex (Code of Practice) für Allzweck-KI-Modelle (GPAI) vorgestellt. Dieses freiwillige Instrument soll Anbietern von Modellen wie ChatGPT als praktische Anleitung dienen, um die ab August 2025 geltenden Anforderungen des AI Acts zu erfüllen. Erarbeitet wurde der Kodex von unabhängigen Experten unter Einbeziehung von über 1.000 Interessengruppen.
Der zentrale Vorteil für Unternehmen: Anbieter, die den Kodex unterzeichnen und befolgen, profitieren von mehr Rechtssicherheit und einem geringeren Verwaltungsaufwand. Sie können damit nachweisen, dass ihre Modelle den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, was ihre Compliance-Last erheblich reduziert.
2. Drei Kapitel für klare Regeln
Der Kodex ist in drei separate Kapitel unterteilt, die sich unterschiedlichen Aspekten des AI Acts widmen.
- Transparenz
Bietet ein Formular zur Modelldokumentation, um die Pflichten nach Artikel 53 AI Act einfach und strukturiert zu erfüllen.
- Urheberrecht
Zeigt praktische Lösungen für eine EU-rechtskonforme Richtlinie zum Urheberrecht, speziell bei öffentlich zugänglichen Daten.
- Sicherheit & Schutz
Richtet sich an Modelle mit systemischen Risiken (Artikel 55 AI Act) und beschreibt Verfahren zum Management dieser Risiken.
Während die ersten beiden Kapitel für alle GPAI-Anbieter relevant sind, ist das Sicherheitskapitel nur für die leistungsstärksten Systeme wie die von OpenAI oder Google verpflichtend.
3. Kritik aus der Wirtschaft: Bitkom warnt
Obwohl der Digitalverband Bitkom die Veröffentlichung grundsätzlich als Chance für mehr Rechtssicherheit begrüßt, gibt es erhebliche Bedenken.
Die Hauptkritikpunkte von Bitkom:
Rechtsunsicherheit durch "offene Risikoprüfung"
Die Pflicht für Anbieter von Hochleistungsmodellen, auch potenziell nur denkbare, hypothetische Risiken ("open-ended risk identification") zu identifizieren, wird als problematisch angesehen. Laut Bitkom schafft dies zusätzliche Rechtsunsicherheit statt Klarheit.
Hoher bürokratischer Aufwand
Insbesondere die Dokumentationspflichten im Umgang mit Beschwerden von Rechteinhabern werden als zu bürokratisch und aufwendig kritisiert.
Positiv hebt Bitkom hervor, dass Anbieter mehr Spielraum bei der Wahl ihrer Sicherheitsmaßnahmen erhalten und die Verantwortung für öffentlich zugängliche Datensätze nicht bei den Modellanbietern liegt. Dennoch bleibt die Sorge, dass der Kodex in seiner jetzigen Form neue Hürden aufbaut und zur Bremse für den KI-Standort Europa werden könnte.
Sind Sie bereit für den AI Act?
Der neue Verhaltenskodex wirft Fragen auf. Egal ob Sie umfassende Compliance-Sicherheit suchen oder eine spezifische Frage haben – wir unterstützen Sie.
Lesen Sie auch
Was ist der EU AI Act? Eine einfache Erklärung
Grundlagen, Ziele und Kernkonzepte der EU KI VO verständlich aufbereitet für einen schnellen Einstieg in die Thematik.
Artikel lesenWann gilt was? Die komplette KI VO Zeitachse
Alle Fristen, Termine und Übergangsregelungen der EU KI VO verständlich aufbereitet in einer interaktiven Zeitleiste.
Artikel lesenArtikel 4 KI-Kompetenz: Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Erfahren Sie alles Wichtige zu den Anforderungen an die KI-Kompetenz gemäß Artikel 4 der EU KI VO und wie Sie Ihr Team vorbereiten.
Artikel lesen